‚Kick-off‘ für die studentische Gruppenarbeit

Eine Illustration von einer Gruppe junger Menschen, die jubelt und die Arme in die Luft hebt. Um sie herum fliegen Symbole für Bildung und Erfolg.

von Julie Direnga und Lee Wittig

Ein fachunabhängiges Workshop-Konzept für Ihre Lehrveranstaltung

Semesterbegleitende Gruppenprojekte sind ein häufig gewähltes Lehr-/Lernformat in vielen Studiengängen. Es vermittelt nicht nur soziale Kompetenzen, wie z.B. Kommunikation und Arbeitsteilung, sondern bedeutet auch weniger Korrekturaufwand für die Lehrperson. Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit anderen Studierenden für viele eine Herausforderung. Wer schon einmal erlebt hat, dass andere Teammitglieder den Kurs abbrechen, ihre Arbeit nicht zuverlässig leisten, oder nicht zum Gruppentreffen auftauchen, kann das leicht nachvollziehen. Manchmal prescht auch eine Person voran und übernimmt den Großteil der Arbeit und der Verantwortung für den Prozess, während andere weniger beteiligt mitschwimmen.

Solche Dynamiken entstehen, weil die einzelnen Personen unterschiedliche Kompetenzen, Schwierigkeiten und Bedürfnisse mitbringen. Diese können konträr zueinander liegen und Konflikte auslösen. Deswegen ist es für jede Art der Zusammenarbeit hilfreich, sich vor dem Beginn der inhaltlichen Arbeit über die jeweiligen Anforderungen und Wünsche an den gemeinsamen Prozess auszutauschen und Regeln der Zusammenarbeit festzulegen. Indem Sie in einer Ihrer Seminarsitzungen dieses Workshop-Konzept anwenden, können Sie Ihre Studierenden beim Teambuilding unterstützen. 

Das Workshop-Konzept

Der Workshop ist selber im Kern als Gruppenarbeit angelegt und grob in fünf Abschnitte eingeteilt und kann sowohl in Präsenz als auch online durchgeführt werden. Nach einem kurzen Einstieg, in dem die Ziele des Workshops und der Ablauf vorgestellt werden, begeben sich die Studierenden in ihre Gruppen.

Um keine Zeit zu verlieren, sollten die Gruppen zum Zeitpunkt des Workshops bereits festgelegt sein.

Um keine Zeit zu verlieren, sollten die Gruppen zum Zeitpunkt des Workshops bereits festgelegt sein.

Zunächst tauschen sie sich über ihre zurückliegenden Erfahrungen mit dem Arbeiten in Gruppen aus, um auch Frustration Raum geben zu können. Anschließend schauen sie auf sich und ihre Stärken bzw. Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit, um eigene Anteile an Dynamiken von Gruppenprozessen sehen zu können.

Diese Reflexionsübungen bereiten auf eine effektive Auseinandersetzung mit den organisatorischen Fragen der Zusammenarbeit und Zuständigkeiten in der Gruppe vor. Die Ergebnisse sind für die individuellen Gruppen gültige, gemeinsam erarbeitete Regeln und Arbeitsprozesse, die im Laufe der Zusammenarbeit weiter angepasst und ausgehandelt werden können. 

Die folgende Tabelle beschreibt den zeitlichen Ablauf des Workshops. Als Ergänzung gibt es noch eine praktische Übung zum Einhalten von abgesprochenen Rollen und Redezeiten, die zum Selbstlernen außerhalb des Workshops durchgeführt werden kann. Das Material dazu befindet sich im Anhang.

1. Einstieg5 Minuten
2. Der Blick zurück: Reflexion eigener Erfahrungen15 Minuten
3. Der Blick auf mich:
Reflexion eigener Stärken und Schwierigkeiten
10–15 Minuten
4. Der Blick auf uns: Absprachen in der Gruppe15–20 Minuten
5. Reflexion und Feedback10 Minuten
Summe50–60 Minuten
Außerhalb des Workshops (optional):
Die Übung: Teamarbeit in der Praxis 
30 Minuten

Beispiele zur Veranschaulichung

Die folgenden Antworten auf Reflexionsfragen und mögliche Regeln für die Gruppenarbeit veranschaulichen, welche Ergebnisse entstehen können, und basieren auf Erfahrungen aus Erprobungen.

Blick auf mich

Schritt 1: Was sind deine Stärken?

Reflektiere für dich selber, was für Stärken du in die Teamarbeit einbringen kannst – sowohl inhaltlich auf das Thema der Gruppenarbeit bezogen, aber auch auf die Zusammenarbeit.

Beispiele: 

„Mir fällt es leicht, den Überblick zu behalten. Dadurch kann ich gut unsere Teamsitzungen moderieren und Arbeitsaufgaben koordinieren.“

„Ich lege Wert auf Details. Daher achte ich gern auf den Feinschliff.“

„Mir ist Verbindlichkeit wichtig. Deshalb kümmere ich mich um unsere regelmäßigen Treffen und achte auf die Beteiligung daran.“

Schritt 2: Was bereitet dir Schwierigkeiten? 

Denke nach, was in der Vergangenheit in deiner Teamarbeit nicht so gut geklappt hat und welchen Anteil du daran hattest. Überlege, was dir dabei geholfen hätte.

Beispiele:

„Ich habe mich in einer anstrengenden Arbeitsatmosphäre zurückgezogen und lieber mein Ding gemacht. Besser wäre gewesen, mein Unbehagen mitzuteilen, samt einem Lösungsvorschlag für die gemeinsame Arbeit.“

„Mich hat es genervt, wenn einzelne in Arbeitsgruppen für sich viel Raum eingenommen haben. Anstatt einfach wegzubleiben, hätte ich für eine ausgeglichene Beteiligung plädieren und weitermachen sollen.“

„Ich habe Sorge, dass die Gruppenarbeit keine für mich zufriedenstellende Note erzielt und übernehme deswegen oft auch noch die Arbeit der anderen. Ich brauche mehr Absprachen zur Qualität und Austausch über den Stand der Teilarbeiten, um mich etwas zurücknehmen zu können.“

Blick auf uns

Tausche dich mit den Personen, mit denen du planst zusammen zu arbeiten, über die jeweiligen Stärken und Schwächen aus. Formuliert dann zusammen aus euren jeweiligen Stärken und Bedürfnissen die wichtigsten Regeln bzw. Absprachen für eure gemeinsame Arbeit.

Beispiele für Regeln:

„Person 1 übernimmt die Koordination der verteilten Aufgaben. Bis zur Deadline fragt Person 1 bei allen zweimal den Zwischenstand ab.“

„Person 2 achtet zum Schluss auf eine einheitliche Sprache und Design. Dafür senden alle ihre Teilaufgabe eine Woche vor der Deadline an Person 2.“

„Für Person 3 ist eine ruhige Atmosphäre bei den Gruppentreffen wichtig. Person 4 moderiert bei unseren Treffen die Gespräche und wählt einen ruhigen Ort dafür aus.“

„Wenn sich jemand aus unserer Gruppe nicht beteiligt, dann fragen wir zweimal über unseren angelegten Gruppenchat nach und melden uns dann bei der Seminarleitung für Unterstützung bei dem weiteren Vorgehen.“

Erfolgskriterien

Der Workshop sollte als ‚Kick-off‘ für die Gruppenarbeit kommuniziert werden (z. B. ‚Die Gruppenarbeiten starten im Workshop mit dem Aufstellen von Absprachen und gehen dann im Seminar mit der inhaltlichen Arbeit weiter‘). So wird deutlich, dass hier auch schon aktiv in der Gruppe gearbeitet wird und es nicht um allgemeine Teamwork-Methoden geht. Dafür sind bereits vorher eingeteilte Gruppen von Vorteil.

Der Workshop wird im Idealfall nicht von der Person durchgeführt, die die Gruppenarbeit bewerten wird. Der Vorteil liegt darin, dass den Studierenden ein Safe Space eröffnet wird, wo sie unbeobachtet von der Lehr- (und Bewertungs-) Person über ihre Erfahrungen mit und Bedürfnisse in Gruppenarbeiten sprechen können. Sollte dies nicht möglich sein, empfehlen wir, dass die Lehrperson während der individuellen Reflexionsphasen (Der Blick zurück und Der Blick auf mich) den Raum verlässt. Die Ergebnisse aus den Gruppen werden nicht im Plenum geteilt.

Hintergrund

Das hier vorgestellte Workshop-Konzept ist bewusst fachunabhängig konzipiert. Es wurde erstmals im SKILL-UB Innovation Lab „Digital Data Literacy & Analysis (DiDaLiA)“ des Fachbereichs 9 im Bachelorstudiengang „Medien- und Kommunikationswissenschaften“ im quantitativen Methodenmodul des ersten Semesters eingesetzt.

Anhang

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